Die Kenntnis unserer Schattenseiten
Sich selbst zu kennen, bedeutet nicht nur zu
wissen, wozu man fähig ist und was man kann, sondern auch, dass man genau weiß,
welche Schwächen man hat, handele es sich hierbei um körperliche,
charakterliche oder mentale Labilität. Ein reifer Mensch ist sich darüber im
Klaren und weiß auch, wie er daraus das Beste für sich selbst und seine
Mitmenschen machen kann. Es ist nicht einfach unseren Mängeln oder Schwächen
ins Auge zu sehen. Das beweist die Tatsache, dass tatsächlich sehr wenige
Menschen in der Lage sind, sich selbst mit kritischen Augen zu betrachten. Wenn
wir jemanden beleidigen, eine Krankheit am Arbeitsplatz vortäuschen oder aus
Faulheit unseren Platz in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht übergeben, dann
ist das sehr augenfällig. Trotzdem bemerken viele diese Fehler nicht an sich. Aber
wie sieht es mit den kaum wahrnehmbaren, aber immer öfter vorkommenden Fehlern
aus? Bemerke ich, wenn ich der Versuchung unterliege?
Erkenne ich an mir egoistische,
neidische, kleinliche oder hochmütige Charakterzüge? Es mag seltsam erscheinen,
aber es ist nicht nur ein Fehler, wenn ich versuche, anderen überlegen zu sein,
sondern auch, wenn ich mich selbst zu sehr abwerte. Wenn ich an Gott glaube,
muss ich wissen, dass niemand umsonst geboren wurde und jeder auf dieser Erde
eine Bestimmung hat. Wenn ich so bin, wie er mich geschaffen hat, dann
entspricht das offensichtlich seinen Absichten. Wer also als Gläubiger dazu
bereit ist, seine Fehler zu erkennen und diese zu akzeptieren, der tut nichts
anderes als Gott zu akzeptieren. Wir wissen ja, dass Gott den Menschen nach
seinem eigenen Abbild geschaffen hat. Das heißt, er ist auch dann in uns, wenn
wir nicht rundum vollkommen sind.
Hilfe zur Selbstakzeptanz
Wenn ein unreifer Mensch mit seinen Fehlern
konfrontiert wird, läuft er oft davon. Selbstverständlich nicht im wahrsten
Sinne des Wortes, obwohl nicht ausgeschlossen ist, dass er zu einer Sportart
„Zuflucht nimmt”. Er versucht sich mit verschiedenen Ersatzhandlungen, um seine
eigenen Schwächen zu verstecken. Einige greifen zu Genussmitteln, andere geben
sich körperlichen Vergnügen hin, verfallen in Depression oder bauen in ihren
Alltag immer wieder neue Beschäftigungen ein, um sich von ihren entdeckten
Schwächen abzulenken. Keiner der Wege führt zum Ziel, das nichts anderes
bedeutet, als unsere Schwächen zu bezwingen. Die einzige Methode, die zum
Erfolg führt, ist, dass wir uns selbst lieben und zwar mit allen unseren
Fehlern. Wenn ich irgendeine negative Eigenschaft an mir entdecke, sollte es
nicht das Erste sein, dass ich mich dafür verurteile oder mir Scheuklappen
anlege, sondern mich als den Menschen akzeptiere, der ich bin. Dafür benötige
ich eine große Portion Demut, wodurch ich nicht nur mir selbst, sondern auch
Gott näher komme. Wenn ich so vorgehe, kann ich im gleichen Zuge auch meine
Schwächen abbauen.
Es kann natürlich sein, dass wir nicht immer Demut
zeigen können. Das ist ganz natürlich, denn das Leben lehrt uns skrupellos zu
sein und andere unterzukriegen. Wenn wir nach der Erkennung unserer Fehler
Schuldbewusstsein, Scham oder zumindest die Bereitschaft etwas zu verändern
verspüren, befinden wir uns schon auf dem rechten Weg. Wahrscheinlich werden
wir feststellen, dass das Leben uns – wie auch all denjenigen, die an Gott
glauben – immer wieder Möglichkeiten eröffnet, uns zu entwickeln und zu ändern,
weil Gott nicht vorhat, die Menschen zu bestrafen, sondern auf eine höhere
Stufe zu erheben.